Die Breminale ist ein 5-tägiges Open-Air-Festival, das jährlich im Sommer auf den Osterdeichwiesen stattfindet. Seit 1987 ertönt in inzwischen sieben Zelten vielerlei Musik. Eines der Zelte war in diesem Jahr (2012) das Bambuszelt der Blauen Karawane. In ihm fand sogar die Eröffnungsveranstaltung mit der Presse statt.
Bambusbauten hatte es bei der Karawane bereits gegeben, ein so großes Zelt jedoch erst einmal, und zwar im August 2010 zum 25jährigen Jubiläum der Blauen Karawane. Die Idee und das Konzept des Zeltes kamen von Klaus Pramann (Mit-Initiator des Projektes Blaue Karawane) und wurden von ihm mit einem Ingenieur im Detail entwickelt.
Das Bambuszelt am Osterdeich war, den Verhältnissen angepasst, seitlich lang gestreckt, sozusagen am Weserufer entlang aufgebaut. Es gab ein Zentralzelt, unter dem sich die Bühne befand, sowie zwei angegliederte Nebenzelte. Diese drei gingen ineinander über. Ein Bauplan auf Millimeterpapier hing am kleinen Pausenzelt, in dem Mitarbeiter_innen und Besucher_innen sich aufhalten konnten. Die Zeichnung wirkte aber äußerst kompliziert und war für Laien absolut undurchsichtig.
Hatte der Aufbau des letzten Zeltes vier Wochen gedauert, so waren diesmal nur zwei Wochen geplant. Das Zelt bzw. das Material musste rund um die Uhr bewacht werden. Es gab vier Schichten täglich, immer doppelt besetzt. Für die Nachtschicht gab es einen gebrauchten Wohnwagen. Es bauten viele Ehrenamtliche sowie die Mitarbeiter_innen der Blauen Karawane an dem Zelt mit. Es gab mehrere Freifahrttickets für die Halöver-Fähre für den Bauzeitraum, da wir nur kurzzeitig ein Dixi-Klo zur Verfügung hatten und also die dortigen Toiletten relevant waren. In einem großen Container waren die Werkzeuge und Kaffeemaschinen untergebracht. Tim und ich hatten uns zehnmal für die Nachmittagswache von 16 – 20.15h – den Zeitraum zwischen der Arbeits- und der Nachtschicht – eingetragen. Meine Überlegung war, nur jeden dritten Tag vorbei zu kommen und somit keine Überforderung in meinen Alltag einzuplanen.
Als wir das erste Mal am zweiten Bautag ankamen, waren die Steckplätze für die tragenden Bambusstäbe bereits abgezirkelt und die ersten davon gesetzt. Wir ließen uns in dem kleinen runden offenen Pausenzelt nieder. Hier war mensch nie allein, immer kamen Gäste oder die Arbeitenden auf einen Kaffee vorbei. Einige meiner Freund_innen schauten auf meinen Wunsch hin länger vorbei. Es gab viel zu quatschen und zu lachen. Diejenigen, die aufbauten (Jogi Hofmeister (Junge für alles), Fitz Dennig (Geschäftsführer), …), blieben oft bis 20h oder auch später, hingegen kam die Nachtschicht (Matthias Hanke (Ehrenamt), …) oft bereits um 18h. Yogi lebte quasi auf dem Bauplatz, half errichten und machte auch noch einige Nachtschichten. Bald hatte ich keine richtige Lust mehr zu wachen, denn ich kam mir überflüssig vor. Ich konnte als Körperbehinderte nicht mitbauen und nur sitzen und unterhalten, höchstens mal Kaffee machen.
Es war sehr interessant, den Fortgang der Bautätigkeiten zu beobachten. Nachdem das Zelt im Rohbau stand, wurde an einem Bambuszaun die Umrandung aus Bastmatten angebracht. Neben dem Zeltbau wurde der Dachaufsatz fertig zusammengeknotet. Eine durchsichtige Plastikplane (Spezialanfertigung, von einer wohlmeinenden Firma gespendet) wurde auf dem Zeltdach befestigt. Das machte einen nach oben hin weiten, unbegrenzten Eindruck, der gut zum Freiheitskonzept der Blauen Karawane passte. Nun ging es ans Bühne- und Technikaufbauen. Die Zeitschiene wurde gut erfüllt, mensch lag gut im Plan.
Das letzte Mal war ich am Dienstag direkt vor dem Beginn der Breminale am Zelt. An diesem Tag war ich tatsächlich mit einer Frau eine dreiviertel Stunde alleine am Wachen. Es war schon irgendwie komisch, allein auf den großen Bau mit aller Technik aufpassen zu müssen, als sie mal kurz zum Café Sand rüber musste. Fitz Dennig hat mit den anderen zusammen das blaue Kamel – unser Wüstennarrenschiff (WÜNA) – geholt. Dieses wurde an der naheliegenden Wilhelm-Kaisen-Brücke ins Wasser gesetzt und fuhr bei Flut bis zum Café Sand. Kurz davor wurde es in einer kleinen Bucht „geparkt“. Dadurch, dass die Ebbe kam, blieb die WÜNA auf Sand sitzen. Von hier aus lächelte sie während der ganzen Breminale zum BlauZelt hinüber.
Die Breminale mit ihren vielen Besucher_innen und lauter Musik von mehreren nebeneinander liegenden Zelten hat mich nicht interessiert. Nur am Freitag kam ich zum Zelt. Das vormalige Pausenzelt war etwas näher ans Bambuszelt heran gerückt worden und barg nun u. a. zwei Gasherde. Nette Burfeind vom Café Blau kochte täglich. Auf dem Platz sollte das Leben jetzt nach dem integrativen Gesamtkonzept der Blauen Karawane vor sich hin fließen. Das tat es denn auch. Es war nicht alles 180%ig durchgeplant, aber „das Chaos regiert(e) sich selbst“ (O-Ton Jürgen Humpert (Leiter Holzbildhauerwerkstatt)). Am Ende hat doch alles irgendwie geklappt. Fitz Dennig war soweit zufrieden. Er sei täglich bis circa 1h nachts auf dem Platz. Jemand müsse den Überblick haben. Ich bewundere Fitz´ Kraft. Die Blauen Karawane ist ein Projekt, das die Welt für psychisch eingeschränkte Menschen und auch Normale verbessern will. Jedoch kein Psycho hätte die Kraft gehabt, zwei Wochen aufzubauen, fünf Tage Breminale bis in die Nacht hinein vor Ort zu sein und dann einige Tage abzubauen. Es ist wie bei den Menschen mit Lernschwierigkeiten – wir brauchen „normale Verrückte“, die uns unterstützen. Leider sind hier auch so „Normale“ am Mithelfen, dass markige Sprüche nicht ausbleiben. Einmal wurde eine, die einen Fehler im Dachbau entdeckte, angefahren: „Halt´s Maul, oder mach´s selbst!“ Ein Ton, mit dem mensch hier nicht rechnet. Aber auch hier arbeiten nur Menschen, mit Stimmungen und Schwächen. Traurig, aber wahr.
Am Freitag bei meiner Ankunft sah ich mich kurz im Gelände um. Dabei erwarb ich für 13 € am Haribostand einiges! So konnte ich allen meine Wundertüte hinhalten, und viele griffen zu und waren glücklich. Klaus Pramann saß mit einigen Kindern neben der „Küche“ und bastelte Fimofiguren für das Legohaus. Noch nie hatten wir so viele Kinder erreicht. Er hatte Massen von Legosteinen organisiert, um das geplante BlauHaus als Modell daraus aufzubauen. Es wurde riesig und sehr beeindruckend! Der Hauptbau war gelb, und das Ganze umfasste 2×2 Meter. Der Legobau gab einen guten Eindruck von dem geplanten Projekt, und er stand direkt neben dem Tisch mit den Unterlagen und der Spendenbox. Direkt darüber lief in Dauerschleife auf einem Bildschirm der kurze witzige Film, den Frauke Wilhelm über uns gemacht hatte (http://www.youtube.com/watch?v=wHqJolhj3KU&feature=relmfu). Der Stand war ständig besetzt und das Interesse an der Blauen Karawane sowie dem BlauHaus war die ganze Breminale über sehr groß!
Um 15.30h gab es Essen. Der große ovale Tisch aus dem Speicher XI vor der Bühne wurde voll besetzt. Das Essen schmeckte. Gleich danach wurde er in eine Ecke geräumt, und Stuhlreihen wurden aufgebaut. Die ganze Zeit liefen Soundchecks für Schauspieler im anschließenden Theaterstück. Wir kamen in den Genuss, von Ayako Ueno (kulturelles Multitalent) ein japanisches Gedicht aufgesagt zu bekommen, denn zum Auspegeln musste ja irgendein Text gesprochen werden. Auf unserer Blauen Wiese wurde an zwei Tagen „Ein ehrenwertes Haus“ von der Showgruppe aufgeführt. Auf dem Programm hatten wir einen Ten Sing Chor (Jugendliche), ein „insan… popular“ (Musik aus sieben Herkunftsländern), „upper mission“ (Pop-Band), das Theatre du pain (Sprech-, Aktions- und Musiktheater), das 1. Bremer Ukulelenorchester sowie ein Kindertheaterstück (Rabe Socke). Auch beim zum zweiten Mal war ich von dem Stück wieder total begeistert! Von den wohnungssuchenden Charakteren haben mir wieder der übergroße Heiland und die alte Demente, die immer ihren Jan suchte, am besten gefallen. Es wirkte sehr romantisch, dass während der Vorstellung ein kleiner Regenschauer auf das transparente Dach prasselte. Das brachte uns noch einige Zuschauer_innen, die auch gerne blieben und mitlachten. Am Sonntag würde das Stück gebärdengedolmetscht werden. Um 20.30h musste ich aufgrund der lauten Bands aus den Nachbarzelten das Weite suchen.
Der Abbau dauerte nur zwei Tage.
Insgesamt bewirkte die Teilnahme an der Breminale einen erheblichen Bekanntheitsgewinn für die Blaue Karawane und ihre Idee BlauHaus. Wir zeigten uns in unserer lebendigen, lebensbejahenden und Menschen achtenden Seite. An den Bambusstangen an einer Seite hingen sieben Tafeln zum Thema „Inklusion“ und ihrer Verwirklichung im Konzept der Blauen Karawane. Die Tafeln fanden großen Zuspruch. Mehrere Lehrer_innen fragten an, ob sie die beiden Tafeln zum Thema „Schule“ verwenden dürften. Es wird überlegt, das Nutzungsrecht gegen eine größere Spende für Interessent_innen freizugeben. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an das Büro unter 0421-3801790.
Heike Oldenburg